Hörkino-Programm 2025
Hörkino-Programm 2025
5. Februar 2025 Arschlochmama
Wenn Eltern und Kinder streiten
Karen Muster, Deutschlandfunk 2023
Sprecherin: Katharina Marie Schubert, Regie: die Autorin
Nichts ist so schrecklich und nichts so schön und aufregend wie das Leben mit Kindern. In einer Selbstbeobachtung nähert sich die Autorin dem selten öffentlich gemachten Hinterzimmer der Familie. Einmal wollte sie die Polizei rufen. Schrie ihre Kinder an: „So es reicht, ich ruf jetzt die Polizei.“ Mit einem Rest Abstand zu sich, wusste sie, dass sie das nicht machen würde und wie irre sie gerade war. Trotzdem brach da ein verzweifelter Schrei nach Öffentlichkeit und Hilfe durch. Die Kinder riefen angsterfüllt: „Nein, bitte nicht die Polizei.“
Was jetzt als lustige Anekdote in der Familie erzählt wird, hat doch einen wahren Kern. Die Autorin fragt sich öffentlich, wie sie den schrecklichen Streits, dem Geschrei, der Wut und den Tränen beikommen kann. Und: Geht das nur ihr so? In die Hinterzimmer der anderen kann sie nicht blicken. Wer sagt schon ehrlich, wie schlimm es wirklich ist? Die Autorin versucht Licht ins Dunkel des Tabus zu bringen: Mit einem Fragebogen über Familienstreits, ehrlichen Gesprächen mit anderen Eltern, einem Beschwerdebüro für Kinder und – tatsächlich – einem Anruf bei der Polizei.
Karen Muster (Pseudonym), geboren 1972, Radiomacherin und Künstlerin, lebt in Köln.
5. März 2025
Milliardengrab Atomkraft
Doku über unkalkulierte Kosten
Tom Schimmeck, ARD Radiofeature, NDR 2022
Sprecher*innen: Anna-Maria Kuricova, Thomas Niehaus, Andreas Grötzinger und Sandra Gerling, der Autor, Regie: Giuseppe Maio
Einst galt die Kraft der Kernspaltung als Garant für Wachstum und Wohlstand. 1955 wurde Franz-Josef Strauß erster Atomminister. 1961 lieferte der erste Atomreaktor Strom für die Westrepublik. 1966 ging das erste Kernkraftwerk der DDR ans Netz. „Kernenergie“ – von „Atomkraft“ sprachen damals nur die Gegner – war lange Staatsräson: der Treibstoff des Fortschritts, die Rettung vor der „Ölkrise“. Milliarden flossen in die Forschung und den Bau der Reaktoren. Bei der Beseitigung des strahlenden Mülls halfen Behörden großzügig – bis an die Grenzen der Legalität.
Die politische Schlacht um das Für und Wider währte Jahrzehnte. Durch den Super-GAU von Tschernobyl 1986 wuchsen die Zweifel. Doch erst die dreifache Kernschmelze von Fukushima 2011 zementierte den deutschen Ausstieg. Ende 2022 sollen die letzten drei deutschen AKWs abgeschaltet werden. Eine Ära geht zu Ende. Wie teuer wird sie uns zu stehen kommen?
Von einer Renaissance der Atomkraft ist die Rede. Frankreich setzt auf die nukleare Option. Startups tüfteln weltweit an neuen Formen von AKWs. Spannungen in Europa haben die Debatte um die Versorgungssicherheit neu eröffnet.
Tom Schimmeck, war Mitgründer der „taz“ und Redakteur u.a. beim „Spiegel“. Als Reporter berichtete er aus Afrika, Asien, Europa und den USA. Seit 2004 produziert er Radio-Feature. Ausgezeichnet mit dem Otto-Brenner-Preis, dem Ernst-Schneider-Preis, dem Deutschen Sozialpreis, dem DRK-Medienpreis und dem RIAS Radio Award.
2. April 2025
Die Akte Hanna
Ein Leben im Blick der Securitate
Senta Höfer, Deutschlandfunk Kultur, 2019
Sprecher*innen: Imogen Kogge, Leonie Rainer, Leopold von Verschuer, Thomas Arnold, Jon Kiriac, Regie: Cordula Dickmeis
Die Rumäniendeutsche Helga Höfer arbeitete in Bukarest als Journalistin für den Bayerischen Rundfunk (BR). Das machte sie interessant für den Geheimdienst. Über dreißig Jahre später öffnet ihre Tochter Senta Höfer die nun zugängliche Securitate-Akte.
In den 70er- und 80er-Jahren arbeitete die Rumäniendeutsche Helga Höfer als Journalistin für den BR. Sie recherchierte, bahnte Kontakte an, führte Interviews und übersetzte. Die westdeutschen Korrespondenten strickten daraus ihre Beiträge. Sie selbst war selten im Fernsehen zu sehen, wurde aber ausgiebig abgehört. Über dreißig Jahre später lässt sich ihre Tochter Senta Höfer die Securitate-Akte zeigen und findet eine teils unfreiwillig komische, teils gespenstische Chronik ihrer eigenen Kindheit in Bukarest vor. Und sie erkennt, wie die Folgen der Beschattung bis in die Gegenwart reichen.
Senta Höfer, geboren 1971 in Bukarest, studierte nach der Ausreise in die Bundesrepublik (1988) Germanistik und Journalistik in London, Bamberg, Antwerpen und New York. Freie Journalistin und Tätigkeit für das UN-Flüchtlingshilfswerk. Aktuell Aufbau und Leitung des „Global Diplomacy Lab“. Sie lebt in Berlin.
7. Mai 2025
Kinder am Limit
Wege aus der Armut
Christiane Seiler, Südwestrundfunk 2024
Sprecherin und Regie: die Autorin
Kinder sind abhängig von ihren Eltern. Statistisch gesehen ist ihr Armutsrisiko besonders groß, wenn sie nur bei einem Elternteil aufwachsen oder viele Geschwister haben. Aber was ist überhaupt Armut? Das kann von Fall zu Fall sehr unterschiedlich sein. Armut hat mit Geldsorgen zu tun, mit Mangel an Sicherheit, mit fehlenden Bildungs- und Entwicklungschancen, mit Behinderung.
Was bedeutet das für ein Kind, einen Jugendlichen, eine Mutter? Menschen erzählen von ihrem schwierigen Lebensweg und davon, was ihnen hilft, der Armut zu entkommen.
Christiane Seiler schreibt Radiofeatures und Wissenssendungen für den Hörfunk. Besonders interessiert sie sich für die Welt um sich herum, für Menschen, Tiere und die Ukraine. Sie liebt es, mit O-Tönen und Klängen zu experimentieren.
4. Juni 2025
Die schöne Landschaft aller Leben in der sächsischen Schweiz
Antje Meichsner / 2024, Deutschlandfunk Kultur/Südwestrundfunk
Sprecherin und Regie: die Autorin
Wald. Schluchten. Felsformationen. Die Sächsische Schweiz ist wie ein Märchenland. In dem viele Rechtsextreme leben. Was erzählen Ehemalige, Zugezogene und Dagebliebene, die damit nicht einverstanden sind?
Wer hier wandert und sich auskennt, tut es leise. Durch die Wälder und Schluchten, über die Felsen und Stege bewegt man sich behutsam – eine ungeschriebene Grundregel in der Sächsischen Schweiz. Etwas ganz Eigenes, Magisches, auch Rauhes hat die Sächsische Schweiz. Wer hier aufgewachsen ist, trägt sie ein Leben lang in sich. Andere verlieben sich in sie und ziehen hin. Aber es ist auch die Region, in der Rechtsextreme Mehrheiten bilden, sozial akzeptiert und gut vernetzt sind. In unterschiedlichen Varianten und mit unterschiedlichen Ausprägungen der Gewalt. Wie geht es den Menschen, die da nicht mitmachen wollen?
Antje Meichsner führt eingehende Gespräche mit Menschen, die in der Schule gemobbt und verprügelt wurden, und hört Erlebnisse aus den Dörfern, aus der Landschaft. Manche haben die Sächsische Schweiz verlassen, andere sind hingezogen, verbunden mit ihr sind sie alle. Und alle eint die Frage: Wie lebt es sich in der schönen Landschaft aller? Antje Meichsner ist eine in Dresden lebende audiovisuelle Künstlerin. Sie überträgt ihre geräuschhafte Ambient-Sounddesign- und Kompositionsarbeit in den dreidimensionalen Hör-Raum.
3. September 2025
Frau Mutter Mörderin
Die Kriminalisierung der Abtreibung in Polen
Maike Jebens und Agnieszka Pröfrock, Deutschlandfunk 2024
Sprecher*innen: Bettina Kurth, Rike Schuberty, Anne Müller, Anastasia Gubareva, Lea Ostrovskiy, Toni Jessen, Timo Weisschnur, Regie: Dörte Fiedler
Nach acht Jahren rechtskonservativer PIS-Regierung hat Polen eines der striktesten Abtreibungsgesetze Europas. Viele Frauen sind verzweifelt und wütend – Hilfe bekommen sie kaum.
Selbst die Abtreibung stark geschädigter Föten ist in Polen seit 2021 verboten. Nachdem eine schwangere Frau im Krankenhaus an einer unbehandelten Sepsis starb, gingen Tausende auf die Straße. Sie machen die Abtreibungsgesetze für ihren Tod verantwortlich. Die Ärzte hätten aus Angst vor rechtlichen Folgen nicht gehandelt. Wut und Unsicherheit unter den Frauen wächst. Die Geburtenrate ist so niedrig wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Einschüchterung und Kriminalisierung durch Polizei und Medien sind an der Tagesordnung. Viele setzen ihre Hoffnung darauf, dass die neue Regierung die Abtreibungsgesetze wie versprochen liberalisieren wird, doch bisher scheiterten alle Versuche im Parlament.
Maike Jebens hat in Leipzig Schauspiel studiert. Nach Engagements in Chemnitz und Lüneburg arbeitet sie als freie Schauspielerin und Sprecherin.
Agnieszka Pröfrock, geboren in Polen, lebt seit 26 Jahren in Deutschland. Freie Radio-Autorin, Sozialpädagogin im Frauenhaus, aktuell in der Migrationsberatung. Themen wie häusliche Gewalt und Frauenrechte führen sie jetzt zurück zum Radio.
1.Oktober 2025
Long Covid und ME/CFS
Krimi um eine Krankheit
Nicolas Morgenroth, Westdeutscher Rundfunk 2022
Sprecher: Maya Bothe, Svenja Wasser, Martin Bross, Wolfgang Rüter, Regie: der Autor
Wie Post- und Long-Covid betrifft auch ME/CFS vor allem Frauen jugendlichen und mittleren Alters. Sie erleben eine Medizin, die Forschung überwiegend an Männern betreibt und die körperlichen Beschwerden von Frauen oft nicht ernst nimmt.
Das Feature folgt Betroffenen sowie Ärztinnen und Ärzten in die Geschichte einer stigmatisierten Krankheit: Jahrzehntelang wird das Chronische Fatigue-Syndrom zu einem psychosomatischen, einem mehrheitlich bei Frauen vorkommenden Phänomen erklärt und die Forschung stagniert. Bis 2020 gibt es in Deutschland keine öffentliche Förderung für die Erforschung von Therapien für ME/CFS, obwohl hier rund 300.000 Menschen betroffen sind. Doch dann kommt die Corona-Pandemie in Deutschland an. Betroffene von Post Covid und ME/CFS tun sich zusammen, um Forschung, Aufklärung und Versorgung zu fordern. Mit Erfolg.
Reizreduzierte Feature-Fassung: Manche Betroffene von Long/Post Covid oder ME/CFS leiden an einer starken Reizempfindlichkeit. Musik, Effekte und Geräusche in der Feature Dokumentation können für sie überfordernd sein. Deshalb stellt SWR 2 hier eine akustisch reduzierte Fassung zur Verfügung.
Nicolas Morgenroth, geboren 1990, hat in Berlin, Exeter und Marseille Sozialwissenschaften studiert und in Soziologie promoviert. Seit 2020 arbeitet er als freier Radiojournalist und als Teil des Kollektivs audiokombinat.net.
5. November 2025
Mandelas Erben Südafrikas junge Generation ringt um die Zukunft
Sabine Schmidt, Deutschlandfunk 2024 Sprecher*innen: Kerstin Fischer, Hüseyin Michael Cirpici, André Kaczmarczyk, Jochen Langner, Jonas Baeck und die Autorin, Regie: die Autorin
Noch immer bestimmen ethnische Konflikte und Gewalt den Alltag. Die Wirtschaft liegt am Boden, die Arbeitslosigkeit ist eine der höchsten weltweit. Im Juni hat der ANC, Mandelas Partei, zum ersten Mal die absolute Mehrheit verloren. Die junge Generation wird als „Born Free“ bezeichnet, aber wie blickt sie auf ihr Land und in die Zukunft?
Die 40-jährige Okhela studiert und wird Teil einer großen Bewegung: Frauen im Bauwesen. Heute plant sie Bauprojekte und führt ein finanziell unabhängiges Leben. Trotz dieser Freiheit frustriert sie die Entwicklung ihres Landes. May ist ebenfalls 40. Vier Mal bewirbt er sich bei der Polizei, bis er es schafft. Als die Belastung im täglichen Kampf gegen die Kriminalität zu groß wird, fängt May an zu trinken und setzt alles, was er erreicht hat, aufs Spiel. Johannes kommt 1997 aus Deutschland nach Südafrika und lässt sich von dem Enthusiasmus der jungen Demokratie mitreißen. Er bleibt, gründet eine Firma und heiratet. Noch wenige Jahre zuvor wäre die Ehe mit seinem Mann Jonathan undenkbar gewesen.
Sabine Schmidt, 1983 in Berlin geboren, studierte Produktion an der Deutschen Film- und Fernsehakademie dffb. Arbeitete als Producerin für Spiel- und Dokumentarfilme und realisiert seit 2020 Radiofeatures und Podcasts u.a. für FAZ, Tagesspiegel und den Deutschlandfunk.
3. Dezember 2025
Auf Tarnschuhen durch die Wüste
Vom in einer mexikanischen Narco-Hochburg
Ronja Mira Dittrich, Bayerischer Rundfunk 2023
Sprecher*innen: Shenja Lacher, Katja Bürkle, Andreas Neumann, Diana Gaul und Peter Veit, die Autorin, Regie: Ronja Mira Dittrich und Johannes Berthoud
Die mexikanische Kleinstadt Altar ist ein Umschlagsort für Drogen und Menschen. Letzter Halt für Migranten vor ihrer lebensgefährlichen Wanderung durch die Wüste in die USA.
Die Autorin reist mitten ins Gebiet der Narcos - auf der Suche nach geheimen Nähstuben, in denen "Alparagatas" hergestellt werden. Schuhe, die ihre Träger im Wüstensand unsichtbar machen. Dabei trifft sie einen Mann, der versucht in einer von Gewalt gezeichneten Gegend eine Alternative vorzuleben.
Ronja Mira Dittrich, lebt in München und Mexiko-Stadt, studierte Politikwissenschaften in Deutschland und den USA, danach journalistisches Volontariat. Redakteurin in der Kulturredaktion des Bayerischen Rundfunks/ARD.